Dierk Sartor

Lieber Herr Sartor,

Sie waren ein Lehrer, der die Schülerinnen für die Musik und die Kunst begeistern und inspirieren konnte. Sie gaben allen Ermutigung und Selbstbewusstsein. Ihr Unterricht war etwas Besonderes: Ihr Humor, Ihr Showtalent, Ihre herausragende Begeisterung, Ihre witzigen Showeinlagen. Ihr Talent, die Schülerinnen zum Lachen zu bringen. Die Schülerinnen in den schweren Stunden (der manchmal schwierigen Teenagerzeit und emotionalen Instabilität) zum Lachen zu bringen. Sie schenkten uns Schülerinnen mit Ihrem Unterricht Lebensfreude und ein wenig Glück im teilweise unerträglichen Teenagerfrust! 

Ihr Musikunterricht war ein Garant für eine wertvolle und sehr unterhaltsame Zeit. All ihr Engagement mit der Talentshow und der Schulband übertraf das Engagement aller anderen Lehrer... 

Sie konnten andere Musiker, deren Arbeitsweise und Musikstile gekonnt und unglaublich unterhaltsam imitieren. Das war eine eigene Dierk-Sartor-Show, die ich nie vergessen werde. Kommentare zu Michael Jackson und seinen Konzerten ("Denkt daran, im Showbusiness kommt man nicht zu spät. Michael Jackson ist unprofessionell!"). Ihre nicht immer so ernst gemeinten Kommentare zu sämtlichen Diven des Showbusiness und deren skurrile Verfehlungen waren einfach nur witzig. Hierbei konnten wir lernen, dass es eventuell auch eine andere Betrachtungsweise gibt: Die liebevoll-humorvolle. Die Ansicht, dass nicht immer alles so streng und ernst genommener werden muss. Dank Ihnen kenne ich nun alle Vorzüge und Schwächen der Musiker aus der Zeit Ihres Unterrichts. Auch erinnere ich mich sehr gerne an satirische Darstellungen von einigen Musikern. Wir bekamen das breite Spektrum an musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten perfekt vorgespielt. Und durften uns selbst darin probieren, eben in der Talentshow, der Schulband etc. Wir durften eigene Kreativitätsprozesse ausprobieren, ohne dafür je ausgelacht oder abgeurteilt zu werden. Ein Raum für sehr witzige Musik-Experimente.

Heute habe ich immer noch Freude, wenn ich daran denke. Sie konnten so gut von den verschiedensten Künstlern und ihren mehr oder weniger geglückten Konzerten erzählen. Wenn ich jetzt, nach fast 40 Jahren, zu einem Konzert oder einer Ausstellung gehe, habe ich immer noch Ihre Schilderungen im Kopf, was die Qualitätsstandards von Kunst und Musik betrifft. Und dass diese auch immer wieder neu definiert werden dürfen. Und diskutiert... So geht es bestimmt vielen Schülerinnen. 

Ich habe Sie als jungen Lehrer Ende der 1980er Jahre erlebt. Wenn Ihnen etwas gefiel, sprangen Sie damals vor Begeisterung in die Luft. Ihr Einsatz war einzigartig. Die Motivation, uns bei Ihnen etwas zu trauen, habe ich sonst wohl nie wieder bei einem Lehrer derartig erlebt.

Sie hatten einen Verstand, der kreative Prozesse genau erklären und auch bei Schülerinnen auslösen konnte.

Die Schülerinnen wurden bei Ihnen so akzeptiert, wie sie waren. Niemand musste sich bei Ihnen verbiegen oder anders sein. Schülerinnen, die das Glück hatten, am Stetten-Institut von Ihnen unterrichtet zu werden, hatten die seltene Freiheit, künstlerisch ihren Stil zu finden, ohne dass es ein "richtig" oder "falsch" - oder eine bestimmte Mode oder Denkrichtung gab. Jeder Stil wurde akzeptiert und geschätzt. 

In Ihrem Unterricht habe ich ein tiefes Bewusstsein für Kreativität und Individualität entwickelt. Bis heute habe ich Freude an künstlerischem Ausdruck und finde Frieden und Entspannung darin. Sie haben ganzen Generationen von Schülerinnen am Stetten-Institut die Augen für die Welt der Kunst und der Musik geöffnet, waren dabei genial unkonventionell und erfrischend einzigartig. Möglicherweise haben Sie viele Schülerinnen vor dem tiefen Frust einer lebenslangen Eindimensionalität im Denken bewahrt. Leider habe ich es verpasst, Ihnen dies einmal zu schreiben. Das tut mir sehr leid. Aber Sie waren, was ein herausragender Lehrer ist: Sie ermutigten Ihre Schülerinnen, neue Denkweisen und neue Interpretationen auszuprobieren. Die Entwicklung dieser kreativen Fähigkeiten hat mir bis heute sehr geholfen. Ein Mensch wie Sie, der selbst frei denkt und seine Schülerinnen zu freiem Denken ermutigt, bleibt für immer in den Herzen seiner früheren Schülerinnen lebendig. Sie werden in vielen Situationen eine Freiheit im Denken weiterleben, ohne es möglicherweise selbst zu bemerken. Das ist wahre Pädagogik: Den Schülerinnen zu helfen, eigene, neue, gute Wege zu gehen. Viele Menschen werden Sie vermissen. Sie waren ein Ausnahmelehrer! Ich bin sehr dankbar, dass ich von Ihnen unterrichtet wurde. Und es tut mir leid, dass ich Sie damals ab und zu geärgert habe und im Musikunterricht ihr Gehör getestet habe. So etwas würde ich heute nicht mehr machen. Ich habe im Musikunterricht zusammen mit den anderen Schülerinnen der Klasse 7b absichtlich falsch gesungen. Wir wollten Sie einmal testen, was unfair von uns war. Aber, wir hatten keine Chance - mit dem Versuch unserer musikalischen Unterwanderung. Sie haben die falschen Töne sofort und präzise gefunden. Jeden einzelnen. Sie konnten sie zuordnen, denn Sie waren nicht nur ein hervorragender Lehrer, sondern auch ein ausgezeichneter Musiker - mit einem sehr feinen Gespür für falsche Töne in ihrem Musikunterricht... Ich habe tiefen Respekt vor Ihnen und werde viele Ihrer Impulse und Ansätze weitertragen - an die nächste Generation. Auch ich wurde Lehrerin. Dank Vorbilder wie Ihnen.

Die besten Lehrer sind wohl die Menschen, die andere dazu bewegen, gedanklich, musikalisch oder auch beruflich in ihre Fußstapfen zu treten.